Mittwoch, 4. Juli 2012

Trattoria Muntagnola in Berlin

SONO BERLINESE – Ich bin ein Berliner

Mailand, Paris, London, Amsterdam, Kopenhagen, dann Spandau – und -„endlich ging ein Herzenswunsch in Erfüllung mit Berlin Schöneberg“, sagt Pino Bianco, Inhaber der Trattoria Muntagnola, sichtlich zufrieden und mit leisem Stolz. „Meine Wurzeln liegen in meiner süditalienischen Heimat, der Basilikata, der ich immer treu verbunden bleibe, aber hier in Berlin fühle ich mich - mit deutschem Pass - als Berliner zuhause.“
Seine Trattoria, die er im Juli 1991 eröffnete, sieht er auf alle Fälle als „Außenstelle der Basilikata“ an.

„Wer stehen bleibt, entwickelt sich nicht weiter und kann all die Herrlichkeiten, die rundherum immer wieder passieren, möglicherweise verpassen“, führt Pino mit italienischem Gefuchtel, herzerfrischender Mimik und lautem Lachen vor. „Wissbegierig bleiben und viel Geben - auch wenn man es nicht sofort wieder zurückbekommt - aber irgendwann kommt es dann von einer ganz anderen Seite völlig überraschend zurück.“
Pino gibt viel. Sehr viel sogar. Seine Haltung ist geprägt von Dankbarkeit und auch Demut, denn er stammt aus einer eher ärmlichen Bauernregion und kann sich sehr wohl an seine früheren Jahre erinnern, die eine ordentliche Portion Ehrgeiz erforderten, um langfristig dorthin zu kommen, wo er heute ist. Schon früh ging er von seinem Heimatort Scanzano (am ionischen Meer) weg, um als Kellner Geld zu verdienen und lernte nicht nur Europa sehr gut kennen, sondern auch Englisch, Französisch und Deutsch fließend zu sprechen. Doch 1982 wurde er jäh wieder nach Scanzano beordert, da er nach dem plötzlichen Tod seines Vaters, als ältester Sohn die elterliche Pizzeria übernehmen musste. Während dieser Zeit zeigte sich seine kosmopolitische Lebensart sehr schnell, denn er wurde als (ehrenamtlicher) Kulturbeauftragter für seine Region berufen.
1988 überließ er dann die Pizzeria seinem jüngsten Bruder Mimmo und dessen Frau Rosa, denn Pino zog es wieder nach Deutschland. Etwa 3 Jahre kellnerte er dann in Berlin und Spandau, bis er endlich 1991 seinen Traum vom eigenen Ristorante erfüllen konnte. Er übernahm das „Siena“ in der Fuggerstraße, merkte aber bald, dass das nicht sein Wunschname und auch nicht seine Art von italienischer Küche ist, die er repräsentieren möchte. Mama Angela, die das Regiment in der Küche übernahm, wollte keine „Allerwelts-Lasagne“ mit gekauften Nudelplatten überbacken, sondern die lukanische Version mit selbstgemachtem Nudelteig, mit einer Füllung u.a. aus hart gekochten Eiern, Salsicca Wurst und Fleischbällchen herstellen. „Ich stamme aus der Basilikata und möchte meine Region kulinarisch vorstellen, meine Küche und deren Gerichte, mit denen ich aufgewachsen bin“, sagt Pino bedächtig und Mama Angela setzt nach: „Es ist auch wichtig die Familientraditionen zu pflegen, Überliefertes nicht zu vergessen und den Enkeln Respekt vor den Lebensmitteln beizubringen. Vor allem für das Brot“ und knetet und bufft dabei die Teiglinge mit einem verschmitzten Lächeln, als ob sie ihre Kinder wären. „In den ersten Jahren in unserer Trattoria lernten die Deutschen von uns, was es heißt, selbstgemachte Pasta, lukanische Wurstspezialitäten wie Soppressata, Capocollo und Pancetta, Saubohnen (Fave), wilde Rübenblätter und gefüllte Zucchiniblüten zu essen und ich denke, dass sie froh waren und auch sind, dass wir zeigen, dass Italien eigenständige Regionalküchen hat und unendlich mehr als Spaghetti und Pizza bietet.“

Die Frau aus den Bergen
Nach Angela Matarrese, der Seele der Trattoria und unangefochtene Küchenchefin, wurde die Trattoria benannt. Denn ihr verstorbener Ehemann nannte sie „a´Muntagnola“, was übersetzt „die Frau aus den Bergen“ heißt. Pino streicht seiner Mama zärtlich über die Schulter und meint: „Tja, sie macht die Traditione und ich die Fantasia dazu“. Eine gute Kombination, denn wenn Mama Angela den Tomatensugo köchelt, experimentiert Pino an Sellerie-Orangen-Marmelade, an Bergamott-(Limo)Cello, an Zimtmarmelade mit Peperoni Crusci oder mit Rosen-Brot und Semifreddo mit grünen Erbsen.

„Mittwoch ist für mich der schönste Tag“
Seine Dankbarkeit zeigt sich darin, dass er seine Heimatregion, die Basilikata, unterstützt, wo er nur kann: Ob große Veranstaltungen zu planen sind, lukanische Spezialitäten wie z.B. die Peperoni Crusci aus Senise, schwarze gebacken Oliven aus dem Ort Ferrandina oder die verschiedensten Olivenöle aus lukanischen Manufakturen vorzustellen sind.
Für sein fortwährendes Engagement wurde Pino Bianco schon mehrmals geehrt und ausgezeichnet, die letzten wichtigsten Auszeichnungen waren 2010: In Italien als führender Gastronom im Ausland und von der italienischen Botschaft von Berlin/Brandenburg Comites zum „Italiener des Jahres 2010“ gewählt. Die Begründung lautet auszugsweise: „Er hat an die Bauernküche von Lukanien geglaubt und die Ursprünglichkeit behalten. Und Pino Bianco ist ein gutes Beispiel zwischen dem kosmopolitischen Berlin und der Tradition Basilikata: Er war Pionier für das Leben sozialer und kultureller „Glokalismo“, der global und lokal die Originalität behalten hat.
Und bei so vielen Tätigkeiten freut sich Pino jeden Mittwoch „seine 44 Kinder“ zum Mittagessen zu begrüßen. Bereits seit 2002 lädt er die Kinder von der Kindertagesstätte Fuggerstraße e.V. zum Essen ein und strahlend erzählt er: „Mittwoch ist für mich der schönste Tag, da rufen die Kinder schon von weitem Pino, Pino und ich werde weich wie Butter.“


Herzlichen Glückwunsch Pino
Die Trattoria hat im Juli 2012 ihren 21. Geburtstag und ich denke daran, wie lange ich eigentlich Pino schon kenne. Es war irgendwann im Frühjahr 2007, als ich über die Trattoria etwas schreiben wollte und deswegen Pino Bianco anrief.
Ich war sehr angetan von meinem ersten Besuch in der kulinarischen Außenstelle der Basilikata. Es war einfach anders, als in anderen italienischen Ristorante: Herzlicher, zuvorkommender, es gab so vieles zu sehen, Kleinigkeiten wie Lesebrille am Tisch, Wasser mit Kräutern in Karaffen, ständig wechselnde Kunstausstellungen, die Speisenkarte zum Aufrollen, selbst gebackenes Brot, ein Lächeln von Mama Angela – und erst die Lasagne nach lukanischer Art, die immer mein Liebling bleiben wird.
Denke ich an Pino, dann denke ich an „Ba, Ba, Basilikata“, an herzerfrischende Freundlichkeit, an Lachen, an regen Kulturaustausch, an gutes lukanisches Essen und die große Muntagnola-Familie. Nie wird es langweilig, dafür sorgt Pino mit seiner grenzenlosen Umtriebigkeit sowie seinem Verständnis und Tatkraft für jegliche Art von Problemlösungen. Hierbei sei zu erwähnen, dass die gesamte „Mannschaft“ jeden Tag um 15,30 Uhr miteinander isst und dabei nicht nur neue Gerichte probiert, sondern auch alles, was so ansteht, wie in einer Großfamilie bespricht.

So nach und nach, stellten Pino und ich fest, dass aus großer Sympathie eine beständige, großartige Freundschaft geworden ist. Er als Lukaner, aus einem kleinen süditalienischem Dorf und ich, als Oberbayerin aus einem sehr kleinen Dorf, fanden immer mehr Parallelen, die uns stets viel Gesprächsstoff liefern. So war es auch nur konsequent, dass wir als „Italo-bavarese-Duo“ auch bald gemeinsame Unternehmungen starteten: Mehrmals in die Basilikata und auch in meine oberbayerische Heimat reisten. Im Jahre 2010 veröffentlichten wir beide das Kochbuch „Basilikata“, Eine kulinarische Reise in das geheime Herz Süditaliens“, welches als bestes kulinarisches Reisebuch 2011 in Deutschland, mit dem Gourmand Cookbook Award ausgezeichnet wurde.
„Allora andiamo – los geht’s! Pino und ich haben noch viel vor und momentan arbeiten wir an dem kulinarischen Reisemanuskript
„Pino, seine Mama & ich“.
Das alles verbindet ungemein und ich wünsche Pino, dass die Trattoria-Famiglia auch weiterhin den Italienern Heimat bietet, uns Deutschen das italienische Dolce far niente Gefühl gibt und natürlich, dass die ganze Welt die gute lukanische Küche probieren kann.
Alles Gute zum 21.Jubliäum wünscht Rose Marie Donhauser

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